Spezialität: Weichen, Kreuzungen und Kreuzungsweichen

Andreas Marx Asset Management Software, BahnWege-Seminare, Instandhaltung, Unkategorisiert

Komplexe Weichenanlagen erfordern ein spezielles Know-how besser noch Know-why

Weicheninstandhaltung

Weichen und Kreuzungen nehmen innerhalb von Gleisanlagen eine besondere Stellung ein – sie vereinen Komponenten aus verschiedenen Fachbereichen: LST (Leit- und Sicherungstechnik), Schleif- und Schweißtechnik, Elektrotechnik, Oberbau und Weichentechnik. Die fachgerechte Weicheninstandhaltung erfordert ein Spezialwissen, für das es außerhalb des DB Regelwerks in Deutschland kaum Literatur gibt, und vor 1994 existierte auch kein Schulungsangebot. Dieses Wissen war bis dahin fast ausschließlich bei den Weichenherstellern zu finden, dort allerdings nur stationär und nicht auf die Instandhaltung ausgerichtet.

Für die heutige Rhomberg Sersa Vossloh GmbH gehört die spezialisierte Weicheninstandsetzung bereits seit Gründung der Vorgängergesellschaft zu den originären Aufgaben. Die ganzheitlich präventive und korrektive Instandhaltung für sämtliche Weichenformen und Bauarten aus einer Hand reduziert dabei teure Schnittstellen und unnötige Wartezeiten im Gleis. Die Weichendienst-Zweierteams aus Mechaniker und Elektriker ergänzen sich gegenseitig und sind in der Lage, sämtliche Arbeiten an Weichen auszuführen.

Eine Sonderstellung nehmen komplexe und komplizierte Weichenanlagen ein, zu denen unter anderem die Kreuzungsweichen zählen. Das Wissen hierüber gleicht bereits einer Art von Geheimwissenschaft. Ein aktueller Bedarf entstand auf einer Baustelle am Bodensee:

Weichenumbau DB Bahnhof Lindau – Reutin

Probleme bereitete im November 2019 eine von Rhomberg Gleisbau / Bahnbau Wels eingebaute Doppelte Kreuzungsweiche in Lindau. 5 der 8 Weichenzungen konnten nicht zur Anlage an die Backenschienen und Stützknaggen gebracht werden, da sie eine hohe Restspannung aufwiesen. Dadurch wurden auch Spurverengungen gemessen – an eine Abnahme und Betriebsfreigabe war nicht zu denken.

Die RSV Weichenspezialisten waren gefragt: Günter Welz, der Leiter des operativen Anlagenmanagements in Föhren, verfügt selbst über eine mehr als 40-jährige Erfahrung in der Fertigung und Instandhaltung von Weichen. Seine Analyse brachte die Ursachen schnell ans Licht und ermöglichte eine zielgerichtete Korrektur der Doppelten Kreuzungsweiche (DKW) mit außenliegenden Zungen. Eine Weichenform, die man nicht alle Tage sieht. Im Dezember wurden auf Anregung von Herrn Welz drei der kurzen Zungen dieser DKW mechanisch getrennt, anschließend so fixiert, dass sie korrekt an den Backenschienen und Zungenstützen anlagen. Mit einer Fülldrahtschweißung wurden die Zungen wieder mit den anschließenden Fahrschienen verbunden.


Bild 1: Blick vom a/b Bereich der DKW in Richtung d/c. Im Vordergrund eines von zwei dreifachen Herzstücke

Doppelte Kreuzungsweichen

Kreuzungsweichen sind – wie der Name schon sagt – eine Kombination aus Kreuzung und Weiche. Im Gegensatz zur einfachen Kreuzung ist es bei einer Kreuzungsweiche möglich, vom kreuzenden ins gekreuzte Gleis zu wechseln. Ist dies nur auf einer Seite möglich, so spricht man von einer einfachen Kreuzungsweiche, kurz EKW. Ist der Wechsel beidseitig möglich, handelt es sich um eine doppelte Kreuzungsweiche, abgekürzt DKW.

Beide, einfache wie doppelte Kreuzungsweichen, kann man außerdem noch danach unterscheiden, ob die Zungen innerhalb des Kreuzungsvierecks liegen oder nicht. Ist das der Fall, spricht man von einer Kreuzungsweiche mit innenliegenden Zungen. Diese wurden in England entwickelt und werden daher auch als „englische Kreuzungsweiche“ oder kurz „Engländer“ bezeichnet. Die DKW mit außenliegenden Zungen, die vor allem in Deutschland verbreitetet sind, werden auch „deutsche Kreuzungsweiche“ genannt. In angelsächsischen Ländern werden DKW’s meist als „double-slip diamond crossing“ bezeichnet.




Bild 2: Lage und Aufbau der Herzstücke von Einfachen und Doppelten Kreuzungsweichen mit außenliegenden Zungen      
Quelle: Berg, Henker, Eisenbahnbau Weichen, Transpressverlag, Berlin 1986


Zweck dieser Konstruktion war es, die vorhanden steileren (und betriebssichereren) Kreuzungswinkel wie etwa 1:9 zu benutzen und dennoch größere und schneller befahrbare Abzweigradien zu erhalten. Das sieht man am deutlichsten an der einzigen heute noch in Deutschland vorkommenden Kreuzungsweiche mit außenliegenden Zungen, der DKW-500-1:9, im Vergleich zur DKW-190-1:9. Die 500 m Radius können mit 60 km/h befahren werden. Dieser Vorteil ist aber auch mit einer großen Baulänge von 54 m und einer aufwändigen Technik verbunden. DKW mit außenliegenden Zungenvorrichtungen besitzen anstelle der einfachen Herzstücke mehrfache Herzstücke, die aus dem Zusammenziehen der entsprechenden Anzahl einfacher Herzstücke entstanden sind. EKW weisen zwei zweifache Herzstücke (ZfH) und DKW zwei dreifache Herzstücke (DfH) auf. Die ZfH sind nicht zu verwechseln mit doppelten Herzstücken (DH).

Erstmals wurde diese Art der DKW und EKW-500-1:9 im Jahr 1935 gebaut, die damit auch die ersten Reichsbahnweichen waren, die nicht mehr mit Gelenkzungen oder Federzungen, sondern mit Federschienenzungen ausgestattet waren. 


Bild 3: Im direkten Vergleich: Doppelte Kreuzungsweichen mit innenliegenden (im Bild links) und außenliegenden Zungen (rechts im Bild) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ea/Doppelkreuzungsweichen_im_Rbf_M%C3%BCnchen_Nord.JPG

Rhomberg Sersa Vossloh

Der erste professionelle Service für die Inspektion, Instandsetzung und Wartung von Weichen, Kreuzungen und Kreuzungsweichen wurde 1992 vom Weichenhersteller Laeis in Trier etabliert. Die Gründer von damals sind heute noch an gleicher Stelle in der Rhomberg Sersa Vossloh GmbH (RSV) als Nachfolgeorganisation tätig. Das Kernteam ist inzwischen auf ein 25 Personen umfassendes Unternehmen gewachsen. Jährlich werden etwa 8.000 Weichen und 2.000 km Gleis von der RSV serviziert. Ab 01.04.2020 werden weitere 25 Weichenspezialisten vom Vossloh Anlagen- und Weichenservice in die RSV wechseln um die Weichenexpertise und räumliche Kundennähe (Dortmund, Hamburg, Magdeburg) zu optimieren.

Autor: Andreas Marx, 20.12.2019  www.rsv.gmbh